Katalogauszüge
Gehirnstimulation mit Fingerspitzengefühl Ein vollkommen neuer Therapieansatz in der Rehabilitation nach Schlaganfall Medizinischer Hintergrund Alle auf neuroplastischen Prinzipien basierenden Rehabilitationsmaßnahmen nutzen aufgabenspezisches Training mit erheblichem Übungsaufwand, um Plastizitätsprozesse auszulösen und dadurch sensomotorische Funktionen zu reaktivieren. Da viele Patienten an eingeschränkter Mobilität leiden und vorhandene Therapieressourcen oft begrenzt sind, ist die Entwicklung zusätzlicher, alternativer Ansätze notwendig, die konventionelle Trainingsmethoden ergänzen, verstärken oder sogar ersetzen können. Die langjährigen Arbeiten des Instituts für Neuroinformatik an der Ruhr-Universität Bochum über den Einsatz passiver sensibler Stimulation zur direkten Auslösung von Neuroplastizität zeigen, dass eine wiederholte Stimulation sowohl Wahrnehmung als auch Verhalten bei Patienten mit Hirnschädigungen nachhaltig verbessert. Die Wirksamkeit des Verfahrens beruht darauf, direkt in den durch die Stimulation aktivierten Gehirngebieten Neuroplastizität auszulösen. Da jede Form der Rehabilitation nach Hirnschädigung auf solchen Plastizitätsprozessen beruht, ist es dadurch möglich, einfach, schnell und effektiv in menschliches Verhalten einzugreifen und dieses gezielt zu verändern. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass durch die sensible Stimulation plastische Prozesse in der unmittelbaren und weiteren Umgebung der z.B. vom Schlaganfall betroffenen Hirnbereiche ausgelöst werden. Dadurch erfolgt in den betroffenen Bereichen eine Funktionsrestauration durch Reaktivierung geschädigter Gehirnbereiche. Andererseits werden in nicht direkt betroffenen, benachbarten Gehirngebieten Kompensationsprozesse unterstützt und verstärkt. Aus medizinischer Sicht sprechen die Dauerhaftigkeit der ausgelösten Veränderungen, die Einfachheit der Anwendung und die große Bandbreite der erzielten Effekte dieses Ansatzes für eine ideale Ergänzung in der Intervention und neurorehabilitativen Therapie von Gehirnschäden durch die tip-Stimulation durch tipstim®. Abgrenzung zu herkömmlichen Stimulationsverfahren In vielen Bereichen werden sog. TENS- oder EMS-Verfahren genutzt, um beispielsweise Muskelfunktionen zu unterstützen und damit motorische Funktionen zu verbessern oder Schmerzen zu lindern. All diesen Verfahren ist gemein, dass der Angriffspunkt der Stimulation die Haut oder die Muskulatur ist. Im Gegensatz dazu zielt die tip-Stimulation mit tipstim® darauf ab, über die Stimulation der Peripherie direkt auf das Gehirn und seine Reorganisation einzuwirken. Die sensible Stimulation nutzt in diesem Sinn die Stimulation der Finger, um darüber direkt in den zugeordneten Hirnbereichen des sensomotorischen Gehirns plastische Prozesse auszulösen. Die tipstim®-Therapie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Neuroinformatik der Ruhr-Universität Bochum, der Neurologischen Klinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil in Bochum sowie der Firmen Haynl-Elektronik GmbH und BOSANA Medizintechnik GmbH. Referenzstudie: J.C. Kattenstroth, T. Kalisch, W. Greulich, M. Tegenthoff, H.R. Dinse (Bochum, Hagen-Ambrock): Die Auswirkungen von repetitiver sensorischer Stimulation (rSS) auf die sensomotorische Leistungsfähigkeit von Patienten mit subakutem ischämischem Hirninfarkt, Kongressmitteilung 86. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, September 2013 Arbeiten zur anwendungsorientierten medizinischen Innovation: Dinse HR, Kattenstroth JC, Gatica Tossi MA, Tegenthoff M, Kalisch K (2011), Sensory stimulation for augmenting perception, sensorimotor behaviour and cognition. In: Augmenting Cognition, Markram H, Segev I (eds). EPFL Press, pp 11-39 Kattenstroth JC, Kalisch T, Tegenthoff M, Dinse HR (2012), Long-term sensory stimulation therapy improves hand function and restores cortical responsiveness in patients with chronic cerebral lesions. Three single case studies. Front Hum Neurosci 6: 244 Dinse HR, Kattenstroth JC, Tegenthoff M, Kalisch T (2011), Plastizität, motorisches Lernen und sensible Stimulation. In: Motorische Therapie nach Schlaganfall. Dettmers C, Stephan KM (eds), Hippocampus Verlag, pp 17-43 Smith PS, Dinse HR, Kalisch T, Johnson M, Walker-Batson D (2009), Effects of repetitive electrical stimulation to treat sensory loss in persons poststroke. Arch Phys Med Rehabil 90: 2108-2111 Kalisch T, Tegenthoff M, Dinse HR (2009), Sensory stimulation therapy. Front Neurosci 3: 96-97 Grundlagenbasierte Vorarbeiten: Dinse HR, Ragert P, Pleger B, Schwenkreis P, Tegenthoff M (2003), Pharmacological modulation of perceptual learning and associated cortical reorganization. Science 301: 91-94 Pleger B, Foerster AF, Ragert P, Dinse HR, Schwenkreis P, Nicolas V, Tegenthoff M (2003), Functional imaging of perceptual learning in human primary and secondary somatosensory cortex. Neuron 40: 643-653 Dinse HR, Kleibel N, Kalisch T, Ragert P, Wilimzig C, Tegenthoff M (2006), Tactile coactivation resets age-related decline of human tactile discrimination. Ann Neurol 60: 88-94
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